In Teilzeit beschäftigte Betriebsratsmitglieder haben im Rahmen von § 37 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Gutschrift von Reisezeiten, wenn sie beispielsweise für eine Betriebsversammlungoder für die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung außerhalb ihrer Arbeitszeit in den Betrieb anreisen. Hierbei ist für die Frage der Inanspruchnahme von Arbeitszeit auf die übliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds abzustellen (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 03.07.2018, Aktenzeichen 1 Sa 147/17).

Das Betriebsratsamt ist gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG ein Ehrenamt. Dementsprechend dürfen Mitglieder des Betriebsrates für die Ausübung ihres Amtes nicht vergütet werden. Vielmehr gilt das sogenannte Lohnausfallprinzip: Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Befreiung für die Betriebsratstätigkeit erfolgt grundsätzlich während der Arbeitszeit. Für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen (also wegen Ursachen im Umfeld des Arbeitgebers) außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat ein Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Diese Arbeitsbefreiung ist nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BetrVG vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.

Zur Betriebsratstätigkeit in diesem Sinne zählen auch Tätigkeiten, die für sich allein keine Betriebsratstätigkeit darstellen, jedoch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung einer Betriebsratstätigkeit stehen, wie Wege-, Fahrt- und Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung erforderlicher betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet.

Für diese Grundsätze gilt auch das Verbot von Benachteiligungen oder Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern nach § 78 S. 2 BetrVG. Daher müssen hier die gleichen Maßstäbe wie bei der Bewertung von Reisezeiten anderer Arbeitnehmer gelten. Entsprechend finden tarifliche oder betriebliche Regelungen zu Dienstreisen auch für Betriebsratsmitglieder Anwendung (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 03.07.2018, Aktenzeichen 1 Sa 147/17 mit Verweis auf Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Juli 2016, Aktenzeichen 7 AZR 255/14).

Besonderheiten bestehen aber für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder, da diese ihre Betriebsratsarbeit, anders als Vollzeitbeschäftigte, häufig nicht vollständig während ihrer Arbeitszeit ausführen können. Bei Reisen teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder ist für die Frage der Inanspruchnahme von Arbeitszeit daher auf die übliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds abzustellen. Das heißt: Soweit die erforderliche Reisezeit in die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds fällt, hat das teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglied den Ausgleichsanspruch nach § 37 Abs. 3 BetrVG.

Nach § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzbfG) darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter gestellt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die hier angegriffene Unternehmensrichtlinie sah vor, dass Dienstreisezeiten außerhalb der festgelegten Arbeitszeit nur dann vergütet werden, wenn sie einen Wert von 60 Minuten insgesamt an diesem Tag übersteigen, während Dienstreisezeiten innerhalb der Arbeitszeit voll vergütet werden sollen. Eine derartige Regelung stellt eine willkürliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten dar. Sie hätte nämlich zur Folge, dass Dienstreisezeiten von Vollzeitbeschäftigten aufgrund der längeren Arbeitszeit meistens vergütet werden. Bei Teilzeitbeschäftigten wäre das dagegen wegen der kürzeren Arbeitszeit seltener der Fall. Darin liegt zugleich eine Benachteiligung der teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieder nach § 78 S. 2 BetrVG. Außerdem steht eine solche Unternehmensrichtlinie auch mit dem Grundgedanken des § 37 Abs. 3 BetrVG nicht in Einklang, da danach teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder regelmäßig ein größeres Freizeitopfer erbringen müssten als Vollzeitbeschäftigte.
Klar gestellt hat das LAG Bremen zudem, dass der Anspruch auf Vergütung bei der Teilnahme an Betriebsversammlungen sich für Betriebsratsmitglieder ebenfalls aus § 37 Abs. 3 BetrVG ergibt – da sie in ihrer Funktion als Betriebsräte an dieser teilnehmen und nicht als Arbeitnehmer, die einen Vergütungsanspruch aus § 44 BetrVG haben.

(Praxishinweis: Grundsätzlich sollte die Arbeit des Betriebsrats möglichst so strukturiert werden, dass sie während der Arbeitszeit stattfinden kann. Da dies gerade bei in Teilzeit beschäftigten Betriebsratsmitgliedern oft nicht möglich ist, besteht für sie ein Anspruch auf Gutschrift von Reisezeiten, soweit die Reisezeit in die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds fällt. Das Verfahren ist noch unter dem Aktenzeichen 7 AZR 396/18 beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Selbstverständlich werden wir an dieser Stelle dazu berichten, sobald es hierzu Neuigkeiten gibt).

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  • 1998 bis 2001
    Ausbildung zum Informations- und Telekommunikations-Systemelektroniker bei der Deutschen Telekom AG in Saarbrücken
  • 2001 bis 2008
    Hauptberufliche Tätigkeit in der betrieblichen Interessenvertretung für Auszubildende und dual Studierende bei der Deutschen Telekom AG in Saarbrücken
  • 2001 bis 2009
    Mitglied in unterschiedlichen Gremien der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf Bezirks-, Landesbezirks- und Bundesebene
  • 2003 bis 2013
    Nebenberufliche Tätigkeiten in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
  • 2008 bis 2009
    Studium an der Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main
  • 2009 bis 2013
    Studium der Rechtswissenschaften in Trier (Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung)
  • 2013 bis 2015
    Referendariat am Saarländischen Oberlandesgericht mit Stationen in Düsseldorf und Frankfurt am Main
  • Seit 2014
    nebenberufliche Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter von silberberger.lorenz, kanzlei für arbeitsrecht
  • 2015
    zweites Staatsexamen in Saarbrücken
  • Seit 2015
    wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union in Trier mit Forschungsschwerpunkten im deutschen, europäischen und internationalen Arbeitsrecht, Europarecht und Zivilrecht
  • 2017
    Promotion zum Dr. jur. mit dem Thema „Das Kollektivvertrags- und Streikrecht für Beamte in privatisierten Unternehmen“ an der Universität Trier (ausgezeichnet mit dem Dissertationspreis des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Universität Trier und dem Hugo-Sinzheimer-Preis)
  • Seit 2017
    Lehrbeauftragter an der Universität Trier am Fachbereich Rechtswissenschaft
  • 2018
    Ernennung zum Akademischen Rat
  • Seit 2018
    Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung