Ein Arbeitnehmer verliert seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht allein dadurch, dass er keinen Urlaub beantragt. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit zwei Urteilen vom 06.11.2018 entschieden (Aktenzeichen C-619/16 und C-684/16).

Das Recht auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen ergibt sich aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie aus Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG steht nationalen Regelungen entgegen, die dazu führen, dass der Arbeitnehmer, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Antrag auf Wahrung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, seinen ihm nach Unionsrecht zustehenden Anspruch auf Jahresurlaub automatisch und ohne vorherige Prüfung verliert.

Der Arbeitnehmer ist generell strukturbedingt die schwächere Partei des Arbeitsvertrages, weshalb der Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden kann, seine Rechte in Anspruch zu nehmen. Wenn die Aufgabe für die tatsächliche Wahrnehmung des Jahresurlaubs vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, wäre das daher nicht sachgerecht. Allerdings kann auch vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, dass er seine Arbeitnehmer zwingt, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch tatsächlich wahrzunehmen. Die Ansprüche auf Jahresurlaub verfallen daher nur dann, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass der Arbeitnehmer freiwillig auf seinen Urlaub verzichtet hat, nachdem er ihn tatsächlich in die Lage versetzt hat, rechtzeitig Urlaub zu nehmen. Voraussetzung ist hierbei, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erforderlichenfalls auffordert, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen und ihm transparent darlegt, dass der Urlaub sonst verfallen könnte. Ein Verfall des Urlaubsanspruchs ist also nur dann mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn der Arbeitnehmer freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage auf diesen verzichtet (Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 06.11.2018, Aktenzeichen C-619/16, C-684/16).

(Praxishinweis: Wenn die rechtzeitige Inanspruchnahme von Urlaub durch den Arbeitgeber nicht ermöglicht wird oder keine Aufklärung über einen möglichen Verfall des Urlaubsanspruchs erfolgt, hat der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich. Nur wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die Urlaubstage zu nehmen, kann der Anspruch ausgeschlossen sein.)

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