Viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Verfallklauseln oder Ausschlussfristen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen, die den Verfall des gesetzlichen Mindestlohns umfassen, unwirksam sind (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.9.2018, Aktenzeichen 9 AZR 162/18).

Ausschlussfristenregelungen in Arbeitsverträgen, die alle Ansprüche – mithin auch den Mindestlohnanspruch – umfassen, sind unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde. Eine solche Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie stellt die Rechtslage irreführend dar, indem sie entgegen § 3 S. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) den Anspruch auf Mindestlohn beschränkt. Eine solche Klausel ist daher gem. §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Dem Arbeitgeber ist es zumutbar, die fehlende Transparenz durch einen Klauselzusatz zu vermeiden. Er könnte zum Beispiel ergänzen: ,,Die vertraglichen Ausschlussfristen gelten nicht für Ansprüche des Arbeitnehmers, die kraft Gesetzes der vereinbarten Ausschlussfrist entzogen sind“. Diese Formulierung würde dem Transparenzgebot gerecht, auch wenn sie den Mindestlohn nicht ausdrücklich nennt.

Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis, das nach dem 31.12.2014 fortgeführt wird, ist entscheidend, ob die Ausschlussfristenregelung bei der Vereinbarung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erneut Gegenstand der Vereinbarung war. Allein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führt nicht notwendigerweise dazu, dass zugleich stets alle Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt werden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Zu prüfen ist, ob eine zuvor vereinbarte Verfallklausel erneut vereinbart werden sollte und die Parteien trotz der geänderte Gesetzeslage durch Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes an den zuvor getroffenen Abreden festhalten wollten. Ein deutlicher Ausdruck dafür liegt beispielsweise in der Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Erst recht ist hiervon auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien nicht nur allgemein auf die bisherigen Vertragsbedingungen Bezug nehmen, sondern die Ausschlussfristenregelung ausdrücklich erneut in den Vertrag aufnehmen.

Ist eine solche Verfallsklausel unwirksam, können auch andere vermeintlich erloschenen Ansprüche, z.B. Urlaubsansprüche, abgegolten werden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.9.2018, Aktenzeichen 9 AZR 162/18).

(Praxishinweis: Wenn Ansprüche des Arbeitnehmers aufgrund von Fristen im Arbeitsvertrag verfallen sein sollen, sollten Arbeitnehmer hellhörig werden. Solche Verfallsklauseln sind nämlich nur dann wirksam, wenn sie nicht zu einem Ausschluss des Mindestlohns führen. Entscheidend ist, dass es sich um einen nach dem 31.12.2014 geschlossenen Arbeitsvertrag bzw. eine über den Stichtag hinausgehende Fortführung eines befristeten Arbeitsverhältnisses handelt.)

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  • 1998 bis 2001
    Ausbildung zum Informations- und Telekommunikations-Systemelektroniker bei der Deutschen Telekom AG in Saarbrücken
  • 2001 bis 2008
    Hauptberufliche Tätigkeit in der betrieblichen Interessenvertretung für Auszubildende und dual Studierende bei der Deutschen Telekom AG in Saarbrücken
  • 2001 bis 2009
    Mitglied in unterschiedlichen Gremien der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf Bezirks-, Landesbezirks- und Bundesebene
  • 2003 bis 2013
    Nebenberufliche Tätigkeiten in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
  • 2008 bis 2009
    Studium an der Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main
  • 2009 bis 2013
    Studium der Rechtswissenschaften in Trier (Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung)
  • 2013 bis 2015
    Referendariat am Saarländischen Oberlandesgericht mit Stationen in Düsseldorf und Frankfurt am Main
  • Seit 2014
    nebenberufliche Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter von silberberger.lorenz, kanzlei für arbeitsrecht
  • 2015
    zweites Staatsexamen in Saarbrücken
  • Seit 2015
    wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union in Trier mit Forschungsschwerpunkten im deutschen, europäischen und internationalen Arbeitsrecht, Europarecht und Zivilrecht
  • 2017
    Promotion zum Dr. jur. mit dem Thema „Das Kollektivvertrags- und Streikrecht für Beamte in privatisierten Unternehmen“ an der Universität Trier (ausgezeichnet mit dem Dissertationspreis des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Universität Trier und dem Hugo-Sinzheimer-Preis)
  • Seit 2017
    Lehrbeauftragter an der Universität Trier am Fachbereich Rechtswissenschaft
  • 2018
    Ernennung zum Akademischen Rat
  • Seit 2018
    Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung